Dies ist der dritte und letzte Teil meiner Kuba-Geschichte. Hier sind Teil 1 Kuba – Hasta el mojito siempre und Teil 2 Está Cuba – Das ist Kuba.
Am Tag der Abreise von Cayo Santa Maria habe ich noch einen Schnellboot- und Schnorchel-Trip gebucht. Angeblich gehören die kubanischen Korallenriffe zu den besterhaltendsten der Welt, da sie schon seit Ewigkeiten als Naturschutzgebiet geschützt werden. Weil ich mich nicht traue, mit einem Motorboot allein zu fahren, dränge ich mich dem Mitarbeiter Octavio auf, der – ganz kubanisch – hocherfreut ist, eine Frau an Bord zu haben. Frauen bringen hier an Bord wohl kein Unglück. 😉 Zunächst lehne ich mich entspannt zurück und gratuliere mir innerlich zu der Entscheidung, nicht Boot fahren zu wollen. Es ist doch nett, von einem gutaussehenden, wenn auch etwas in die Jahre gekommenen, Kubaner auf einem Motorboot durch Mangrovenhaine kutschiert zu werden. Aber dann fragt Octavio überraschend, ob ich nicht auch mal steuern will, und dann denke ich mir, so unter Anleitung, da kann ja nicht viel schiefgehen. Also ab ans Steuer. Octavio legt den Hebel um – full speed! Was hab ich mir da nur eingebrockt? Während wir über die von den anderen Booten produzierten Wellen hüpfen, erklärt er stolz, dass dieses Boot viel schneller fährt als die anderen. Das ist kaum zu übersehen, wie die Irren heizen wir an den anderen vorbei, hüpfen immer wieder über Wellen und mein Gequieke geht ungehört im Rauschen der Wellen unter. Aber Spaß macht es schon irgendwie. Octavio versichert, dass ich eine sehr gute Fahrerin bin, und lacht als ich trocken erwidere, dass er da wohl der erste ist, der das so sieht. Er erzählt, dass er 1981 für eine Regatta in Deutschland war, in Berlin und Rostock. Und dass er in einer Segelweltmeisterschaft in den USA mal Dritter geworden ist. Es scheint der größte Erfolg seines Lebens zu sein. Er fragt, was ich mache, und erwidert dann lachend er sei ein Anwalt der Meere. Überhaupt lacht Octavio viel, er scheint anders als viele nicht weg zu wollen aus Kuba und wirkt auch nicht unglücklich. Er liebt das Meer, das sieht man ihm an.
Vor der Küste von Cayo Santa Maria liegt ein Schiffswrack, die „San Pasquale“, die vor achtzig Jahren dort aufgelaufen ist. Das Wrack ragt hoch aus dem Wasser und ich würde es nur zu gern erkunden. An den Schiffswänden und auf Deck haben sich etliche mit ihren Namen verewigt. Octavio gesteht, dass er schon mehrfach auf dem Wrack war, aber wir dürfen nicht rein, es ist zu gefährlich. Am witzigsten ist aber, dass die Luft um das Schiff stark nach Rum duftet, da die San Pasquale damals Melasse geladen hatte, ein Nebenprodukt der Zuckerherstellung, das zur Herstellung von Rum benutzt wird. Ich finde es unfassbar, dass der Geruch seit 80 Jahren anhält. Wie nebenbei stellt Octavio kurz darauf die Frage, die hier jeder kubanische Mann stellt: Ob ich einen Freund habe. Auf die Verneinung schlägt er voller Fassungslosigkeit mit der flachen Hand aufs Boot und schüttelt den Kopf… Und sagt dann, ich könne ja mit zu ihm kommen. Aber er lacht dabei, er hat es nicht ganz ernst gemeint. Er scheint seinen Ehering etwas ernster zu nehmen als viele andere Kubaner, wenn man den Erzählungen glauben darf. Später gehen wir schnorcheln, aber es gibt nicht viele Fische zu sehen, da bin ich von Indonesien auf jeden Fall anderes gewöhnt. Die Korallen sind allerdings sehr schön. Zum Abschied kriegen wir einen Schluck Rum geschenkt und dann muss ich auch schon los, Sophia und unser Convertido mit Carlos warten schon auf uns.
Die Rückfahrt nach Havanna verläuft ohne Zwischenfälle, bis auf eine Raststätte, die geschlossen hat, weil es dort kein Wasser gibt. Und deshalb auch kein Essen. „Das ist das kommunistische Kuba“ sagt Carlos und schnaubt. Zurück in Havanna treffen wir uns mit Sophias deutsch-holländisch-kubanischer Clique zum Abendessen und berichten von unseren Abenteuern. Später trinken wir bei Freunden noch einen Rum und diskutieren bis in die frühen Morgenstunden über Kuba, den Kommunismus und all das. Da fällt auch der Satz: „Bevor die Touristen kamen hatten wir nicht alles, aber wir waren alle glücklich“. Hätten wir nicht nach Kuba kommen sollen? Der Prozess lässt sich nun nicht mehr aufhalten. Und irgendwie ist der Fortschritt ja der Lauf der Dinge, alles entwickelt sich weiter, nichts bleibt wie es war. Aber ein bisschen Sorge ich mich darum, dass die Kubaner ihre fröhliche Lebendigkeit und Leichtigkeit verlieren, wenn sich das Land ganz öffnet und sie in diesen Strudel aus Konsum und Selbstdarstellung der Leistungsgesellschaft geworfen werden, in dem wir alle trudeln heutzutage, jeden Tag.
Am nächsten Morgen gilt es, das Museo del arte Cubano zu besuchen. Kurzum, es ist sensationell. Jeder, der sich ein bisschen für Kunst interessiert und in Havanna ist, sollte sich diese Ausstellung ansehen. Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut, beginnend bei den letzten Zügen des Realismus – Portraits von spanischen Eroberern, über Kubismus, Surrealismus und Moderne hin bis zu zeitgenössischen Videoinstallationen (Tipp: Schaut euch die Ausstellung von oben nach unten an, dann ist es chronologisch). Auch an Materialien ist alles vorhanden. Es gibt Skulpturen, Ölgemälde, Collagen, Installationen aus Müll und Comics. Es ist viel Politisches ausgestellt, Che, José Martí und die Castros spielen oft eine Rolle. Die Kunst ist teilweise erstaunlich regierungskritisch, die Revolution wird nicht selten als Blutbad dargestellt, oft werden hungernde Gestalten in Zeiten der Spezialperiode gezeigt, generell zeigen die den Kommunismus thematisierenden Stücke oft Skelette, vor allem die von Exilkubanern, die überraschenderweise ebenfalls hier ausgestellt sind. Aber auch Sex und Homosexualität sind ein Thema. Besonders gut gefällt mir Carlos Alberto Estéves „La Verdadera Historia Universal“ – was ich mal frei mit „die universelle historische Wahrheit“ übersetze. Es ist ein Puppentheater mit matroschkenartigen Puppen. Auf der Bühne befinden sich derzeit auch Che, Engels und ein Fußballer, den ich nicht zuordnen kann. Auf dem Boden liegen aber, jederzeit bereit zur Aufstellung auf der Weltbühne, wie weggelegt aber zur eventuellen späteren Benutzung bereit, Hitler, Napoleon, Marx, Sokrates, Hobbs, Lincoln und viele andere. Das Stück ist so sensationell, dass ich mich unweigerlich frage, warum da vorher noch nie jemand drauf gekommen ist.
Schon wenig später tappe ich während meiner letzten Salsastunde unsicher mit Kevin durch den Tanzsaal. Er nennt mich Baby und macht mir so schöne Augen, dass mir die Schamesröte ins Gesicht schießt. Aber wir tanzen ganz unschuldig zum Abschluss das viele Gelernte und das ist genau das Richtige. Kevin ist ein sehr guter Tanzlehrer und ich bin trotz (oder vielleicht gerade wegen?) aller Avancen sehr zufrieden, dass ich mich so ganz spontan für ihn entschieden habe.
Als Nächstes steht Souvenirs kaufen auf dem Plan. Rum will ich kaufen und eine Kiste Zigarren muss natürlich auch sein. In der Gebrauchsanweisung lese ich mir an, worauf man da achten muss: Das Ende der Zigarre sollte glatt und nicht ausgefranst sein, die äußeren Blätter möglichst glatt. Kauft Zigarren unbedingt in einem richtigen Laden – auf der Straße wird viel Quatsch verkauft und als Laie hat man keine Chance, eine gute Zigarre von Schund zu unterscheiden. Informiert euch auch unbedingt vorher auf der Seite des Auswärtigen Amtes, wie viele Zigarren und Rum ihr wie (z. Bsp. mit Quittung) ausführen dürft!
Nach den obligatorischen Einkäufen esse ich zum Abschied mit Sophia im berühmten Habana 61 – ohne Reservierung, wir Glücklichen – und es ist zweifelsohne das beste Essen, das ich in Kuba gegessen habe (probiert die frituras de malanga!). Im Anschluss gehen wir noch mal ins Asturias und diesmal finde ich einen sehr gut führenden Tanzpartner, und lege endlich ein paar flotte Schritte aufs Parkett. So macht mir das richtig Spaß, ich habe sogar Komplimente bekommen (von anderen Touristen, aber das zählt trotzdem).
Und schon bald ist morgen und der Taxifahrer holt mich ab, um zum Flughafen zu fahren. Diesmal in einem alten Ami-Schlitten von 1952. Dieser Taxifahrer spricht gut Englisch und erzählt, er habe Marketing studiert, aber damit verdiene man nichts. Wie auch – es gibt in Kuba keine Werbung, daher kann ich mir ein Schmunzeln kaum verkneifen. Das Taxifahren mache ihm keinen Spaß, erzählt er weiter, es sei gefährlich und man sitze den ganzen Tag. Er fragt mich, wie das Wetter und Deutschland ist und was alles so kostet. Er staunt über niedrige Lebensmittelpreise und sagt: „We have free education and free health care but that’s not all in life.“ Aber Kuba hat doch so viel mehr, denke ich und schaue aus dem Fenster. Ach, Kuba, te amo, dich mit deinem medizinisch dosierten Internet, deinen frauenliebenden Männern – dieses Land, in dem die SMS später ankommen, wenn es regnet und wo in der Abflughalle des Hauptstadtflughafens Schwalben fliegen – Kuba, ich werde dich vermissen!
Tipps & Tricks
Reiseroute: Havanna – Cienfuegos Trinidad – Cayo Santa Maria – Havanna
Restaurant: In Havanna Habana 61 (Reservierung!)
Frühstück: In Havanna El Café
Souvenirs: Ein cooler Design-Laden ist 99% Cubano „Clandestina“ in der Calle Clandestina in Havanna
Salsa: Hotel Florida (jeden Abend) in Havanna
Literatur: Gebrauchsanweisung Kuba, gibt es zum Beispiel bei Amazon Gebrauchsanweisung Kuba
Tanzschule: In Havanna La casa del son
Über www.viazul.com könnt ihr Busreisen buchen, es gibt aber auch andere Busunternehmen, z. Bsp. in der Lobby vom Hotel Parque Central in Havanna.
Achtung: Kunstgegenstände, teilweise auch solche, die man auf Märkten kauft, wie kleinere Bilder und Poster, darf man nicht ohne Weiteres ausführen. Eventuell muss man hinter dem Security Check im Flughafen eine Gebühr bezahlen. Die kann man zwar mit Euro zahlen, bekommt aber Pesos als Wechselgeld!!j
2 thoughts on “Havanna, baby!”